Starkregen und daraus resultierende Überschwemmungen traten in den letzten Jahren nicht nur in Deutschland vermehrt auf. Auch diesen Sommer über waren verschiedenste Länder in Europa und den USA stark betroffen. Dass ein Umgang mit den künftig zunehmenden Starkregenereignissen gefunden werden muss, steht außer Frage.
Mit einer wassersensiblen Stadtentwicklung kann diesen Extremereignissen begegnet werden. Die Ausweisung von Notabflusswegen spielt dabei eine bedeutende Rolle. Notabflusswege sind Wege, über die das oberflächig abfließende Wasser bei Starkregenereignissen möglichst schadlos durch die urbane Bebauung abgeleitet werden soll. Mit der Bestimmung von Fließwegen mittels verschiedenster, innovativer Lösungsansätze und der anschließenden Ausweisung dieser Notabflusswege beschäftigt sich das Forschungsvorhaben „Urban Flood Resilience – Smart Tools“ (FloReST).
Das Projekt FloReST wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über eine Laufzeit von drei Jahren gefördert. Zur Halbzeit des Projektes fand ein Workshop zum ersten Meilenstein an der Universität Trier statt. Bei dem Workshop waren Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Pilotkommunen sowie des Projektbeirats, bestehend aus der Ingenieurkammer RLP, dem Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität RLP und dem Landesamt für Umwelt RLP, anwesend. Weiterhin nahmen VertreterInnen des Projektträgers Karlsruhe und der übergeordneten Fördermaßnahme „Wasser-Extremereignisse“ (WaX) teil. Beim Meilensteinworkshop wurde der aktuelle Arbeitsstand des Projektes, erste Ergebnisse sowie Live-Anwendungen verschiedener SmartTools vorgeführt und diskutiert.
FloReST wird von der Hochschule Koblenz koordiniert und wissenschaftlich begleitet. Das Projektkonsortium besteht darüber hinaus aus der Hochschule Trier mit dem Umweltcampus Birkenfeld, der Universität Trier sowie Praxispartnern des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, der Ingenieurgesellschaft Dr. Siekmann + Partner mbH sowie dem Softwareunternehmen Disy.
Ein wesentlicher Aspekt im Forschungsvorhaben ist die Kommunikation und Partizipation mit den Pilotkommunen sowie den Bürgerinnen und Bürgern. Aufgrund dessen wurde im vergangenen Jahr in den fünf beteiligten Pilotkommunen eine Umfrage zur Risikokommunikation zu Hochwasser und Starkregen durchgeführt. Die Auswertung ergab unter anderem, dass es ein Defizit im Bereich der Katastrophenvorsorge zu geben scheint. Viele der befragten Bürgerinnen und Bürger wissen nicht, ob es in ihrer Heimatgemeinde ein Frühwarnsystem oder auch ein Hochwasserschutzkonzept gibt. Die Mehrheit der Befragten würde zudem gerne mehr über Hochwasserschutzmaßnahmen auf dem eigenen Grundstück erfahren. Eine wesentliche Fragestellung lautet daher: Wie kann das Wissensdefizit hinsichtlich Katastrophenvorsorge aufgearbeitet und geschlossen werden? Dieser Fragestellung wird derzeit in FloReST nachgegangen. Eine nachhaltige Sensibilisierung für Gefahren und Folgen aus Starkregenereignissen soll dabei in der Bevölkerung geschaffen und mögliche Lösungsansätze für eine erfolgreiche Risikokommunikation innerhalb der Kommunen erarbeitet werden.
Zur belastungsunabhängigen- und abhängigen Ausweisung von Notabflusswegen werden in FloReST verschiedene innovative Ansätze verfolgt. Ergebnisse von State-of-the-Art Ansätzen über GIS-basierte Analysen und 2-dimensionale hydrodynamische Modelle zeigen, dass frei verfügbare Geodaten insbesondere im Siedlungsbereich nicht ausreichend genau sind, um detaillierte Fließwege und darauf aufbauend Notabflusswege auszuweisen. Digitale Geländemodelle mit einer Rasterweite von 1×1 m decken die lokalen, abflussrelevanten Strukturen nicht oder nur ungenügend ab, sodass zusätzliche lokale Vermessungen notwendig werden. In FloReST wurden daher erste Modellierungen auf einem Höhenmodell mit 25cm-Rasterweite aus einer Kombination frei verfügbarer Geodaten und zusätzlichen terrestrischen Vermessungen durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Analysen lassen anschließend eine detaillierte Ermittlung von Fließwegen zu und erlauben die Ausweisung von Notabflusswegen sowie von Maßnahmenbereichen.
Die zusätzliche Vermessung zielt darauf ab in potentiell kritischen Bereichen lokale, abflusslenkende Strukturen (sog. Bruchkanten) zu erfassen. Die Identifizierung und Vermessung abflussrelevanter Bereiche soll in FloReST durch einen innovativen Ansatz optimiert werden. Über eine hochaufgelöste Videoaufnahme potentieller Fließwege sind kritische Bereiche in der Siedlung auszuwählen. Dafür werden die, in Starkregengefahrenkarten ausgewiesenen und auf einem DGM1 ermittelten Fließwege, „abgelaufen“ und so alle relevanten Informationen erfasst. Die daraus ermittelten potentiell kritischen Bereiche sind anschließend mit gängigen Vermessungstechniken hochaufgelöst zu erfassen und ein Hybrid-Höhenmodell für belastungsunabhängige und -abhängige Analysen zu erstellen. Anhand dessen kann nachfolgend eine detaillierte Betroffenheit von sozialen und technischen Infrastrukturen ermittelt werden.
Ein weiterer Ansatz zur Ermittlung von Fließwegen ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Klassische Modellierungen zur belastungsabhängigen Ermittlung von Fließwegen sind in der Regel sehr zeitaufwändig. Über Machine Learning Modelle sollen daher schneller verfügbare Überflutungssimulationen generiert werden. Indem verschiedene Geländemodelle als Eingangsdatensatz verwendet werden, soll künftig eine schnelle Vorhersage von Fließwegen auf variierenden Geländeinformationen ermöglicht werden.
Ein Highlight des Meilensteinworkshops stellten die Live-Vorführungen von Flutungsversuchen im Stadtteil Trier-Filsch dar. Dort wird aktuell ein experimenteller Ansatz zur Ausweisung von Notabflusswegen verfolgt, indem Flutungs- und Dotierversuche umgesetzt werden. Vor Ort demonstrierte das Team der Universität Trier zum einen Versuche mit einer Kleinberegnungsanlage, um den Bodenfeuchtezustand und Wasserhaushalt abzubilden und den Oberflächenabfluss zu ermitteln. Zum anderen wurden Flutungsversuche vorgeführt, indem eine gezielte Wassermenge eingeleitet und die oberflächige Fließspur mittels thermaler Markiertechnik über eine Drohne verfolgt wird. Die Live-Vorführung zeigte die Problematik an dem bereits mehrfach von Starkregen betroffenen Standort und dem derzeit dysfunktionalen Notabflussweg. Dieser experimentelle Ansatz lässt künftig über hochaufgelöste Datensätze eine exakte Fließwegbestimmung zu, sodass aufbauend gezielt Maßnahmen umgesetzt werden können.
Während die zuvor genannten Untersuchungen vordringlich auf die Ermittlung von Fließwegen und Ausweisung von Notabflusswegen durch Fachplaner abzielen, dienen die digitalen Produkte in FloReST der späteren Anwendung in Kommunen sowie der Bevölkerung. So wird derzeit eine SmartApp entwickelt, über die Missstände an abflussrelevanten Standorten erfasst werden können. Über einfache Anwendung der SmartApp lassen sich über den Standort und die Kamerafunktion Problemstellen zu beispielsweise verstopften Verrohrungen oder dysfunktionalen Regenwassereinläufen erfassen und übermitteln. Die Dokumentation über die SmartApp kann unter anderem bei der Umsetzung von Maßnahmen hilfreich sein, um die lokalen Bedingungen für den Starkregenfall zu verbessern. Ein Prototyp der SmartApp ist bereits entwickelt und soll im Frühjahr 2024 in einer Pilotkommune in die Testanwendung gehen.
Alle in FloReST erzeugten Daten werden in einem GeoDataWarehouse gesammelt und kommunenspezifisch aufbereitet. Über dieses werden die räumlich hochaufgelösten Daten zur Planungs- und Entscheidungsunterstützung für die Kommunen bereitgestellt. In einer Präsentation des Prototyps des GeoDataWarehouse wurden die Funktionen und Bereitstellungsmöglichkeiten der Daten gemeinsam mit den Teilnehmenden des Workshops diskutiert, sodass die spätere Anwendung für die Kommunen optimiert werden kann. So könnte zum Beispiel über eine kommunenspezifische Darstellung aller relevanten Informationen eine Priorisierung von Maßnahmen (bspw. aus dem Hochwasservorsorgekonzept) vorgenommen werden.
Der Workshop zum ersten Meilenstein in FloReST zielte darauf ab, die bereits entwickelten Methoden und Ansätze den Vertreterinnen und Vertretern der Pilotkommunen sowie des Projektbeirats zu präsentieren und über potentielle Anwendungsfälle und die jeweiligen Bedarfe der Kommunen zu diskutieren. Mit den gewonnenen Erkenntnissen kann das FloReST-Konsortium in die weitere Entwicklung der Lösungsansätze und Optimierung der Arbeiten gehen.
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