Bericht über das 2. Projekttreffen von TrinkXtrem am 27. und 28.02.2024 in Oppenheim
Am 27. und 28.02.2024 kamen die Teilnehmenden des WaX-Verbundprojekts „TrinkXtrem“ im Alten Amtsgericht Oppenheim zusammen, um sich über den aktuellen Projektstand auszutauschen. Gastgeberin war die Wasserversorgung Rheinhessen-Pfalz GmbH (wvr), dessen Geschäftsführer die ca. 30 Teilnehmenden herzlich begrüßte. Die wvr versorgt über 235.000 Menschen in Rheinhessen und in der Nordpfalz mit Wasser und ist damit der zweitgrößte Trinkwasserversorger in Rheinland-Pfalz. Gleich zu Beginn wurde der Schwerpunkt auf die Herausforderungen, die in der Wasserversorgung durch steigende Lufttemperaturen in Kombination mit einer sinkenden Grundwasserneubildung entstehen, gelegt. Stabile Grundwasserstände sind dabei nicht nur für die Trinkwasserversorgung, sondern auch für Landwirtschaft und Naturschutz relevant. Dieser dringende Handlungsbedarf wird im Forschungsprojekt TrinkXtrem direkt adressiert. In der sehr engen Verzahnung zwischen Forschung und Praxis nimmt TrinkXtrem eine besondere Stellung unter den WaX-Verbünden ein. Schon während der Projektlaufzeit werden Ergebnisse aus der Forschung in die Praxis transferiert und gemeinsam umgesetzt. Das spiegelte sich auch in der Zusammensetzung der Teilnehmenden wieder, die aus einer breiten Mischung von Wasserversorgungsunternehmen, Ingenieurbüros und Vertreter:innen aus der Wasserforschung bestand.
Um zu untersuchen, wie sich die Trinkwasserversorgung in Deutschland optimal an Extremwettersituationen, das heißt an Trockenperioden, aber auch an Starkregen, anpassen kann, werden im Projekt die Themenfelder Rohwasserressourcen, Anlagenbetrieb, Wasserbedarfsprognose sowie Preis- und Risikomanagement adressiert. Worauf muss sich die Trinkwasserversorgung in Zukunft einstellen? Um Extremereignisse in historischen Zeitreihen besser abbilden zu können, wurden Extremwetterszenarien definiert und die Modellparameter entsprechend angepasst. Darauf basierend wurden Langzeitszenarien bis ins Jahr 2050 gerechnet, um die Grundwasserneubildung für drei extreme Trockenjahre in Folge zu prognostizieren. Da physikalisch basierte Grundwassermodelle sehr lange Rechenzeiten benötigen, wird für eine schnelle Vorhersage das Potential von künstlicher Intelligenz genutzt. Dazu wurde angemerkt, dass die Vorhersagekraft von neuronalen Netzen stets auf dem Verhalten der Trainingsdaten beruht, weshalb sie für Extremsituationen mit zusätzlichen Daten trainiert werden sollten.
Wenn Extremsituationen auftreten, ist es wichtig, dass die Trinkwasserversorger die verschiedenen Rohwasserressourcen optimal nutzen. Genau dafür wird in TrinkXtrem ein Managementtool zur multikriteriellen Entscheidungsfindung entwickelt, das im Sommer 2024 Praxispartnern zum Testen zur Verfügung gestellt werden soll. Neben den Rohwasserressourcen ging es auch darum, anlagenbezogene Schwachstellen in der Versorgung zu identifizieren. Dafür wurde am Fraunhofer Institut ein Wasserversorgungsnetz im Modell nachgebaut. Nun sollen optimale Lösungen, das heißt kostengünstige Zubaumaßnahmen und dynamische Steuerungselemente identifiziert werden, um Extremsituationen abzupuffern.
Extremsituationen beeinflussen nicht nur die Rohwasserquantität, sondern auch die -qualität. Die Gesamthärte nimmt beispielsweise bei sinkender Abflussmenge zu, was bei Niedrigwasser ein Problem werden kann. Diese Thematik wird in einem Rohwasserbeschaffenheits-Prognose-Tool adressiert. Auch wurden Krankheitserreger und die mikrobielle Belastung in Flüssen und Talsperren gemessen. Bisherige Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch bei Hochwasser die Belastung sehr gering ist. Für die Erfassung toxikologischer Belastung in Extremsituationen wurde eine Biotestbatterie entwickelt, in der z.B. Stoffe mit östrogener oder neurotoxischer Wirkung detektiert werden können.
Zur Vorhersage des Trinkwasserbedarfs, wird ein webbasiertes Prognosetool entwickelt, das den Spitzenwasserbedarf in Trockenperioden in hoher zeitlicher Auflösung (15-min bis Tagesverbrauchswerte) modelliert. Der Prototyp des Modells ist bereits fertig und wird in Zusammenarbeit mit Praxispartnern getestet. Ergänzend zu dem Prognosetool wird aktuell ein „Anomalie-Detektor“ entwickelt, der ähnlich wie ein Sicherheitsnetz um die Modellierung aufgespannt werden soll und Anomalien anzeigt.
Eine besondere Herausforderung der Wasserversorgung bei extremen Wettersituationen ist die Abdeckung der Spitzenlasten (z.B. der Morgen- und der Abendspitzen, aber auch der punktuelle Verbrauch durch industrielle Großabnehmer). Um Spitzenlasten zu minimieren, wird eine Lastenverschiebung angestrebt. Dafür wird der Einsatz dynamischer Preismodelle untersucht, die entweder nach Versorgungssicherheit oder nach Strompreisen gesteuert werden. Um Trinkwasserdargebot und -bedarf zusammenzubringen, ist u.a. ein Stakeholder-Dialog im kommenden Quartal geplant.
Am Beispiel der Talsperre Klingenberg wird untersucht, wie das bestehende Risikomanagement an den Umgang mit Extremereignissen angepasst werden kann. In der Risikobewertung ist es dabei wichtig, den Extremereignissen trotz geringer Eintrittswahrscheinlichkeiten einen hohen Stellenwert zu geben, da sie ein besonders großes Schadenspotential aufweisen. Basierend auf dem Ausgangsrisiko der Fläche und einer Vulnerabilitätsanalyse wurde die Fläche in Hydrotopen unterteilt und es wurden Risikosteckbriefe erstellt. Zusätzlich zum Risikomanagement wird aktuell überprüft, wie bestehende Leitfäden zur Notfallvorsoge beim Auftreten von Extremwettersituationen verbessert werden können. Für Trockenperioden sollten beispielsweise die betrachteten Zeiträume angepasst werden, da Dürren im Vergleich zu Starkregenereignissen viel länger andauern und häufig mehrere Monate oder sogar Jahre gehen.
In der Öffentlichkeitsarbeit des Verbundprojekts steht aktuell eine vierteilige Videoserie im Fokus, in der die Forschung in TrinkXtrem anschaulich präsentiert wird. Die Videoserie und viele weitere Informationen finden Sie auf der Webseite www.trinkxtrem.de.